Aus 1 mach 2: Zimmerpflanzen durch Stecklinge vermehren

Pflanzen zu vermehren klingt komplizierter, als es ist. Einerseits kommt die Vermehrung aus Samen dafür in Frage, für die ein wenig Geduld und Fingerspitzengefühl notwendig ist. Andererseits können wir unsere Pflanzen auf vegetativem Wege - also durch neu bewurzelte Pflanzenteile - vermehren, was deutlich schneller geht. Dafür gibt es verschiedene Methoden und der Stecklingsschnitt stellt die bei weitem einfachste Variante dar. Deshalb wollen wir uns in diesem Artikel erst einmal nur darauf konzentrieren.

Warum Stecklinge?

Die Gründe für das Schneiden von Stecklingen können ganz unterschiedlich sein: Meistens wollen wir die Pflanze vermehren und somit ein weiteres Exemplar gewinnen. Manche Pflanzen sind nur sehr schwer oder gar nicht durch Aussaat zu vermehren, auch in so einem Fall kann die Stecklingsvermehrung eine tolle Lösung sein. Es kann aber auch passieren, dass eine Pflanze so alt geworden ist, dass sie nicht mehr richtig wächst. Denn auch Pflanzen haben, so wie alle anderen Lebewesen, eine begrenzte Lebensdauer. In so einem Fall könnte ein Steckling beispielsweise aus dem oberen Pflanzenteil geschnitten werden, sodass sich neue Wurzeln bilden und eine identische, jüngere Pflanze entsteht. Am Ende wird die neue Pflanze eingetopft und der zu alte Rest entsorgt.

Verzichte darauf, Stecklinge von kranken Pflanzen zu schneiden. Es kann zwar verführerisch sein, einen Rettungsversuch zu starten, empfehlenswert ist es jedoch nicht. Die Krankheitskeime haben sich häufig bereits in der ganzen Pflanze ausgebreitet.

Gut zu wissen

Die Stecklingsvermehrung ist eine Form der sogenannten “vegetativen Vermehrung” und das Gegenteil der generativen Vermehrung durch Samen. Wie bereits weiter oben geschrieben, werden dabei vorhandene Pflanzenteile von der Mutterpflanze abgetrennt, neu bewurzelt und am Ende wieder in Substrat gepflanzt; bei richtiger Vorgehensweise ist somit eine neue, selbstständig lebensfähige Pflanze entstanden. Genau genommen handelt es sich dabei um einen Klon der Mutterpflanze, da deren DNA zu 100 Prozent miteinander übereinstimmen. Das bedeutet auch, dass die neue Pflanze genau dieselben Eigenschaften wie die Mutterpflanze aufweisen wird.

Aus dieser Pflanze können sogar mehrere Stecklinge geschnitten werden.

Stecklinge schneiden: So wird's gemacht

Hast du das Prinzip einmal verstanden, kannst du es auf so ziemlich jede Pflanze anwenden, die für die Stecklingsvermehrung in Frage kommt.

 

Ran an die Klinge

Stecklinge können aus unterschiedlichen Teilen der Pflanze geschnitten werden. Sogenannte “Kopfstecklinge” werden aus dem obersten Pflanzenteil, der Triebspitze gezogen; Teilstecklinge aus den darunterliegenden mittleren Pflanzenteilen und Basalstecklinge aus den unteren Abzweigungen an der Basis der Pflanze. Bei manchen Pflanzen, zum Beispiel dem hübschen Geldbäumchen, kann eine Vermehrung auch durch Blattstecklinge erfolgen - hierbei trennst du nur ein Blatt ab, welches in die Erde gesteckt wird und im Idealfall Wurzeln bildet und neu austreibt.

 

Die Aloe Vera bildet meist viele Ableger, die als Basalstecklinge neu bewurzelt werden können.

 

Das brauchst du

  • Scharfes Messer oder scharfe Schere
  • Desinfektionsmittel
  • Behälter für die geschnittenen Stecklinge (z.B. ein großes Glas oder eine Vase)
  • Wasser
  • Bei Bewurzelung in Substrat: Anzuchterde/Substrat und Topf
  • Sprühflasche
  • Optional eine transparente Abdeckung (großes Einmachglas, Tüte, PET-Flasche, ...)

 

Der Steckling sollte genau hinter einem Blattknoten abgeschnitten werden.

 

Bewurzelung im Wasser

Dies ist die mit Abstand einfachste Variante und kommt für die meisten Pflanzen in Frage. Kakteen und Sukkulenten sollten jedoch lieber in Substrat bewurzelt werden, da das fleischige, weiche Gewebe schnell anfängt zu faulen. Die Vorgehensweise beim Schnitt bleibt bei allen Vorgehensweisen gleich. Los geht’s:

1. Schnapp dir ein scharfes Messer oder eine scharfe Küchen- oder Gartenschere. Damit nichts anfängt zu schimmeln und sich keine Krankheitserreger breit machen können, muss alles ganz sauber sein und vor Arbeitsbeginn am besten einmal desinfiziert werden.

2. Schneidest du einen Steckling aus einer Triebspitze, so sollte dieser mindestens 1 bis 3 Blattknoten (“Augen”) oder Knospen haben, damit hinterher eine kräftige Pflanze entsteht. An diesen Stellen wachsen später die neuen Wurzeln heraus. Zudem sollten mindestens 2, noch besser 3 oder 4 Blätter am vorgesehenen Teil vorhanden sein, damit die Pflanze ausreichend Photosynthese betreiben kann. In der Regel ist eine Länge von etwa 10 bis 15 cm ideal.

Bei Teilstecklingen kannst du dich am selben Prinzip orientieren. Vor allem bei langen und rankenden Pflanzen, wie zum Beispiel Efeututen, können aus einem einzigen Ast mehrere Stecklinge geschnitten werden. Wichtig: Möchtest du Kopfstecklinge schneiden, um eine Pflanze zu retten, darfst du nur an den unverholzten Stellen schneiden - andernfalls würde die Wurzelbildung nicht mehr funktionieren.

3. Setze das Messer oder die Schere direkt unter dem vorgesehenen Blattknoten an und trenne die Pflanze mit einem sauberen, geraden Schnitt durch. Entferne die untersten Blätter. Hat die Pflanze sehr ausladendes und viel Laub, kannst du es oben vorsichtig ein wenig ausdünnen, um die Handhabung zu erleichtern.

4. Stelle die Pflanzenteile nicht sofort ins Wasser, sondern lasse die Schnittstelle für 1-2 Stunden antrocknen. Dadurch wird die Gefahr minimiert, dass die Stecklinge später im Wasser anfangen zu faulen. Lege sie dafür auf ein sauberes Küchenpapier, Zeitungspapier oder Handtuch.

5. Ist alles angetrocknet, können die Pflanzenteile nun ins dafür vorgesehene Gefäß gestellt werden. Fülle so viel Wasser ein, dass die unteren 1-2 Blattknoten mit Wasser bedeckt sind. Die Blätter sollten nicht im Wasser stehen, weil sie sonst faulig werden. Es kann passieren, dass die Pflanzen anfangs ihre Blätter hängen lassen und welk aussehen, dies ist jedoch nicht weiter schlimm - sobald sie anfangen, Wasser aufzunehmen, verschwinden diese “Symptome” wieder. Platziere die Stecklinge an einem hellen und gleichmäßig warmen Ort bei etwa 20 Grad.

Nun dauert es, je nach Pflanze, einige Tage oder Wochen, bis sich die ersten Wurzelspitzen rund um den Blattknoten zeigen. Lasse sie ruhig so lange stehen, bis die Wurzeln schön kräftig geworden sind und pflanze sie erst dann ein. Fertig!

Hier zeigen sich schon neue Wurzeln, sodass die Stecklinge bald eingepflanzt werden können.

 

Bewurzelung in Substrat

Zwar kann man das Wurzelwachstum bei dieser Methode nicht so schön beobachten wie bei der Bewurzelung im Wasser, doch du sparst dir den Schritt des späteren Einpflanzens. Pflanzen, die eher dicke und fleischige Äste und Stämme haben (z.B. Kakteen, Aloe Vera) sowie einzelne Blätter sollten immer auf diesem Wege bewurzelt werden.

1. bis 4. Gehe hierbei genauso vor, wie im letzten Abschnitt beschrieben. Besonders bei sukkulenten Pflanzen ist es wichtig, dass die Schnittstellen gut antrocknen können. Blattstecklinge werden am Blattansatz abgeschnitten und genauso weiter behandelt.

5. Stecke die Pflanzenteile nun in das vorgesehene Substrat. Gieße es einmal gut an und halte es in der Zeit danach leicht feucht, aber niemals nass. Eine Sprühflasche eignet sich dafür wunderbar und sogar noch besser als eine Gießkanne.

 

Die kleinen Blätter des Geldbaums werden vorsichtig angefeuchtet.

 

Die Stecklinge brauchen wieder Temperaturen um die 20 Grad und eine recht hohe Luftfeuchtigkeit. Du kannst ein Gewächshaus simulieren, indem du eine transparente Plastiktüte, Folie oder eine aufgeschnittene PET-Flasche über die Stecklinge stülpst. Mit einem Nagel oder einem Akkuschrauber kannst du bei Bedarf kleine Lüftungs-Löcher hineinbohren oder alternativ regelmäßig lüften. Auch ein Anzuchtkasten mit Abdeckung eignet sich für kleine Stecklinge.

Auch jetzt dauert es in den meisten Fällen mehrere Wochen, bis du mit dem Auge Wachstum erkennen kannst. Sind neue Triebe zu sehen, kannst du allmählich die Abdeckung weglassen, denn dann war die Stecklingsvermehrung erfolgreich.

Auch aus einer Glasglocke kann man ein kleines Gewächshaus bauen.

Gut Ding will Weile haben: Ein Schlusswort

Diese Anleitung ist ein grober Einstieg in die Materie der vegetativen Vermehrung. Dabei können nicht nur Zimmerpflanzen, sondern bei wärmeren Temperaturen auch einige deiner Gartenpflanzen auf diese Weise vermehrt werden (z.B. Kräuter und mehrjährige Stauden). Hast du einmal den Dreh raus, macht es riesigen Spaß, sich auszuprobieren und den neuen Pflanzen beim Wachsen zuzuschauen. Dabei ist vor allem Geduld sehr wichtig, denn einige Sorten lassen sich gerne ganz schön viel Zeit bei der Bildung ihrer neuen Wurzeln. Vermehrst du beispielsweise den dekorativen und pflegeleichten Bogenhanf, gibt dieser oftmals erst nach 3 oder 4 Monaten ein Lebenszeichen von sich, bei Blattstecklingen aus Geldbäumchen kann es erfahrungsgemäß sogar noch länger dauern. Umso größer ist die Freude, wenn sich nach ewiger Wartezeit endlich ein neues Blatt zeigt!

Aus einem Blattsteckling wird irgendwann ein neues Geldbäumchen.

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